Jacqueline Luff und Marieke Ledingham, Exploring Inquiry-Based Stress Reduction (IBSR) as a Counselling Intervention,
International Conference on Education, Psychology, and Social Sciences (ICEPS) 2017 [1]
Zusammenfassung
Diese qualitative Studie untersuchte, welche Erfahrungen Menschen, die im Bereich der psychischen Gesundheit therapeutisch tätig sind,
persönlich und beruflich mit IBSR gemacht hatten. Dazu wurden sechs Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die alle in der IBSR-Methode
ausgebildet waren, in halbstrukturierten Interviews befragt. Die Interviews wurden anschliessend mit der interpretativen
phänomenologischen Analysemethode [2] ausgewertet.
Sieben Themenfelder kristallisierten sich heraus:
- Der Einfluss von IBSR auf die Therapeutinnen und Therapeuten
- Selbstfürsorge und Burnout
- Erweiterte Perspektiven
- Stärken und therapeutischer Nutzen von IBSR
- Herausforderungen und Grenzen
- Klientenpopulation und -charakteristika
- Klient-Therapeut-Beziehung
Ziele der Studie:
Diese Studie untersuchte den Effekt von IBSR auf therapeutisch tätige Personen selbst und auf ihre berufliche Praxis.
Die konkreten Ziele waren:
- die eigenen Erfahrungen der Therapeuten und Therapeutinnen mit IBSR zu erforschen und zu untersuchen,
wie IBSR ihre Arbeit mit Klienten und Klientinnen beeinflusst;
- die Erfahrungen zu erforschen, die die Therapeutinnen und Therapeuten machten,
wenn sie IBSR mit ihren Klientinnen und Klienten anwendeten;
- die Herausforderungen, Grenzen und Stärken der Anwendung von IBSR in einem therapeutischen oder
beratenden Kontext zu identifizieren;
- herauszufinden, wie IBSR-Therapeutinnen und -Therapeuten auf sich selber achten und sich vor Burnout schützen; und
- die Rolle von IBSR in der therapeutischen Intervention zu untersuchen.
Durchführung:
Sechs Personen, die beruflich im Bereich der psychischen Gesundheit therapeutisch tätig sind (z. B. Psychologen, Beraterinnen oder Psychiater),
wurden für die Studie ausgewählt. Alle waren ausserdem in der IBSR-Methode ausgebildet [3] und wendeten sie in ihrer Praxis mit Klienten und Klientinnen an.
Sie wurden mit offenen Fragen durch ein halbstrukturiertes Interview geführt. Jedes Interview wurde separat mit Methode der interpretativen
phänomenologischen Analyse ausgewertet und die Haupt- und Unterthemen identifiziert. Die Daten wurden dann zusammengeführt und gemäss den
Forschungsfragen dieser Studie strukturiert.
Resultate:
Es wurden sieben Hauptthemen identifiziert:
- Der Einfluss von IBSR auf die Therapeutinnen und Therapeuten
Alle Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer haben sofortige und lebensverändernde Veränderungen erlebt,
nachdem sie begonnen hatten IBSR auszuüben. Sie berichteten auch, dass sie ähnliche Erfahrungen bei ihren
Klientinnen und Klienten beobachtet hätten. Die Schilderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer deuten darauf hin,
dass mit IBSR Veränderungen sehr schnell eintreten können. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer betrachten
IBSR jedoch als lebenslange Praxis.
- Selbstfürsorge und Burnout
Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommunizierten, dass die Anwendung von IBSR vor Burnout schützt und der
Selbstfürsorge dient. Zum einen beschrieben sie die IBSR-Methode als Werkzeug zur Selbstfürsorge, das ihnen
jederzeit zur Verfügung steht, zum anderen förderte die Ausübung von IBSR mit den Klientinnen und Klienten
auch das Wohlbefinden der Therapeutinnen und Therapeuten. Sie schilderten, dass sie nicht ermüdeten, wenn
sie Klientinnen oder Klienten mit IBSR begleiteten, manche fühlten sich dadurch sogar energetisiert. Das
Vertrauen darin, dass die Klientinnen und Klienten ihre eigene Weisheit haben und man sie nicht retten muss -
eine Haltung, die in der IBSR-Ausbildung geübt wird - scheint befreiend zu wirken. Die teilnehmenden
Therapeutinnen und Therapeuten berichteten ausserdem, dass sie sich deutlich besser fühlten, wenn sie IBSR
regelmässig selber anwendeten.
- Erweiterte Perspektiven
In allen sechs Interviews wurde erwähnt, dass IBSR die Menschen darin unterstützt, ihre Einsichten zu erweitern
und neue Sichtweisen zu entwickeln. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schienen der Meinung zu sein, dass der Verstand
und die Identifikation mit Gedanken die Ursache des Leidens ist und sprachen davon, dass die Umkehrungen ein machtvolles Instrument
seien, neue Sichtweisen zu einem stresserzeugenden Gedanken zu erkennen. So scheinen IBSR-anwendende Personen Vertrauen,
Verständnis und Akzeptanz ihres Erlebens der Welt zu erfahren.
- Stärken und therapeutischer Nutzen von IBSR
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer betrachteten IBSR als Methode, die Veränderungen hervorruft und Wachstum,
Selbstverwirklichung und Selbstermächtigung fördert. Bemerkenswerterweise sprachen alle teilnehmenden Therapeutinnen
und Therapeuten von der Reduktion von Symptomen, die im Zusamenhang mit Depression standen, und der Schnelligkeit,
mit der die IBSR-Methode Frieden brachte und Stress abbaute. IBSR wurde als Methode angesehen, die eine positive
Wirkung auf Beziehungen hat. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beobachteten, dass sich sowohl ihre eigenen Beziehungen
als auch die Beziehungen der Klientinnen und Klienten verbesserten. Weiters berichteten sie, dass durch IBSR ihr Mitgefühl
für sich selber, ihre Selbsterkenntnis, ihre Selbstakzeptanz und die Akzeptanz gegenüber ihren Klientinnen und Klienten
zugenommen hätten. Die teilnehmenden Therapeutinnen und Therapeuten waren der Ansicht, dass IBSR ein Werkzeug ist, das dem
Wohlbefinden der Therapeutinnen und Therapeuten dient und genug flexibel ist, um in andere psychotheraputische Methoden
eingebunden zu werden.
- Herausforderungen und Grenzen
Die am häufigsten genannten Herausforderungen waren:
- Die IBSR hat als Kurzzeitanwendung einen nachteiligen Einfluss auf das
Einkommen der Therapeutinnen und Therapeuten.
- Schwierigkeiten, mit Klientinnen oder Klienten zu arbeiten, die mit ihrer Geschichte identifiziert bleiben wollten.
- Die Herausforderung, mit Klientinnen oder Klienten zu arbeiten, die Bestätigung von ihren Theraputinnen oder Therapeuten suchten.
Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer warnten davor, IBSR bei Klientinnen oder Klienten anzuwenden,
die nicht «offen» dafür seien. Es wurde auch angeregt, vorsichtig vorzugehen bei der Anwendung von IBSR
mit Klientinnen oder Klienten, die ein Trauma erlebt hatten. Weiters wurde angemerkt, dass die Umkehrungen zwar
die Sichtweise erweitern, jedoch auch zu Selbstvorwürfen führen können.
- Klientenpopulation und -charakteristika
Gemäss den Teilnehmern und Teilnehmerinnen dieser Studie kann IBSR bei vielen verschiedenen Menschen eingesetzt werden.
Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, IBSR bei Patientinnen und Patienten mit Depression und Angstgefühlen angewendet zu haben.
- Klient-Therapeut-Beziehung
Insgesamt berichteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass IBSR die Therapeut-Klient-Beziehung unterstützt,
indem die Empathie und Verbindung zum Klienten oder zur Klientin gefördert wird. IBSR wurde als eine Methode beschrieben,
in der Klient und Therapeut mehr auf Augenhöhe agierten als in konventionellen Therapien.
Ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin äusserte eine gegenteilige Meinung: IBSR könne die Therapeut-Klienten-Beziehung
negativ beeinflussen, speziell, wenn IBSR zu früh in der Therapie angewendet würde. Andere Zustände, bei denen IBSR zum Einsatz kam, waren:
Posttraumatische Belastungsstörung, schwerwiegendes Entwicklungstrauma, sexueller Missbrauch, körperlicher Missbrauch, bipolare Störung,
Suizidneigung, Trauer und Verlust, Beziehungsthemen, Unsicherheit, Abhängigkeit, Übergangsphasen, Anpassungsstörung,
Persönlichkeitsstörung, paranoide Schizophrenie, Asperger Syndrom, körperliche Krankheiten, Berufs- und Arbeitsthemen.
Der bestimmende Faktor für die Effektivität der IBSR war aber weniger die vorherrschende Störung, sondern die Offenheit
der Klientinnen oder Klienten dem IBSR-Ansatz gegenüber.
Schlussfolgerung:
Die Resultate dieser Studie weisen auf eine Reihe von vorteilhaften Auswirkungen der IBSR-Methode hin. Gemäss den Teilnehmerinnen
und Teilnehmern kand IBSR in die Beratungspraxis integriert werden, entweder in Ergänzung zu anderen psychotherapeutischen Verfahren
oder als alleinige Methode. Alle stimmten darin überein, dass die positiven Veränderungen mit IBSR sehr schnell eintreten können,
und dass sich IBSR darum für Kurzzeitinterventionen eignen könnte. Eine weitere wichtige Erkenntnis war, dass IBSR als Mittel
zur Burnoutprävention und der Selbstfürsorge angesehen wurde.
Die Ergebnisse scheinen auch die bisherige Forschung über die Wirkung von Achtsamkeit auf Therapeutinnen und Therapeuten zu bestätigen.
Wenn die Therapeutinnen und Therapeuten ihre Klientinnen und Klienten in IBSR begleiten, erfahren beide die wohltuenden Wirkungen, die
mit Achtsamkeit in Verbindung gebracht werden.
Auch einige Schwierigkeiten wurden bemerkt. So wurde hervorgehoben, dass die Umkehrungen falsch interpretiert werden und zu Selbstvorwürfen
führen könnten. Für Klientinnen und Klienten, die nicht bereit sind, sich auf IBSR einzulassen, oder die Bestätigung des Therapeuten oder der
Therapeutin suchen, könnte IBSR nicht geeignet sein.
In Anbetracht der hohen Raten an Burnout und emotionaler Ermüdung bei Therapeutinnen und Therapeuten, die im Bereich der psychichen Gesundheit
tätig sind, könnte IBSR einen Beitrag leisten zur Prävention von Burnout. Dazu sind weiter Studien nötig. Weitere Forschungsgebiete wären die
Anwendung von IBSR im Kontext von Traumata und die Auswirkungen von IBSR als Werkzeug zur Selbstfürsorge von Therapeutinnen und Therapeuten sowie
ihren Klientinnen und Klienten.
[2]
Die interpretative phänomenologische Analyse (IPA) eignet sich besonders, um das Erleben, subjektive Sichtweisen und Sinngebungen von Personen zu untersuchen.